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pure11-redaktion

Das Bekleidungskonzept für Reinräume - Teil 1: Bekleidung nach ISO

Die empfohlene Bekleidung in einem ISO-Reinraum
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Branchenspezifische Bekleidungskonzepte in Reinräumen

Der Mensch verliert durchschnittlich pro Quadratmeter Hautfläche bis zu 108 Partikel in der Minute. Jeder Partikel, der in Teil- oder Endprodukten landet, stellt eine besondere und oft nicht einschätzbare Gefährdung für die Produktqualität dar. Durch geeignete Kleidung lässt sich diese Gefährdung reduzieren, da die Bekleidung Partikel, die vom Menschen abgegeben werden, erheblich zurückhalten kann. Des Weiteren ist die Reinraumbekleidung auch Arbeitskleidung für den Mitarbeiter, in der er sich wohl fühlen soll. Aus diesem Grund sollte der Komfort der Bekleidung keinesfalls vernachlässigt werden.

Die Bekleidung: Der einzige Filter zwischen Mensch und Produkt

Der Mensch verliert über den gesamten Körper verteilt Partikel. Diese können beispielsweise auch Haare oder Hautschuppen sein. Durch spezielle Bekleidung werden die Stellen am Körper auf ein möglichst geringes Maß reduziert. Auf welches Maß diese Reduktion stattfinden muss, hängt von der Reinraumklassifizierung und den Bedingungen vor Ort ab.

An der Bekleidung selbst gibt es weitere Austrittsstellen, wie beispielsweise die Rückennaht, den Reißverschluss an der Vorderseite oder dem Halsbereich, an denen Partikel austreten können. Auch Vlieshauben und textile Handschuhe haben nur ein geringes Partikelrückhaltevermögen. Über den Mundschutz sowie durch den Mundschutz hindurch entweichen potentiell Partikel.

 

 

Das Partikelrückhaltevermögen variiert entsprechend der Dichte des Gewebes und der Porengröße. Jedoch gilt: Je höher das Partikelrückhaltevermögen ist, desto größer ist der Pumpeffekt. Dieser beschreibt die plötzliche Entweichung von Luft aus Öffnungen wie Hals, Arm oder Bein, die auf einen Überdruck im Inneren der Bekleidung zurückzuführen ist. Die Partikel gelangen ungefiltert in die Produktionsluft. Von dort aus können die Partikel eine direkte Gefahr auf die Produktqualität ausrichten. Die Partikel werden regelrecht aus der Bekleidung herauskatapultiert und dies geschieht häufig bei zu schnellen Bewegungen.

Je sensibler ein Reinraum nach der DIN EN ISO 14644-1 klassifiziert ist, desto weniger Partikel dürfen im Reinraum in einer bestimmten Luftmenge gezählt werden. Die Bekleidung erfüllt dabei die Funktion der Filters, der periodisch entleert werden muss. Dies erfolgt durch eine Aufbereitung in speziellen Reinraum-Wäschereien. Um weitere Gefahrenquellen durch die Bekleidung auszuschließen, werden folgende Aspekte empfohlen:

  • Wechseln Sie die Bekleidung entsprechend der Herstellerangaben aus. Die übliche Verwendungsdauer liegt bei 50-100 Aufbereitungen.
  • Reinraumbekleidung sollte niemals Löcher aufweisen! Bei Löchern sollte diese nicht mehr verwendet werden.
  • Das Gewebe von Reinraumbekleidung ist speziell entwickelt und getestet. Verwenden Sie nur geeignetes Gewebe.
  • Wählen Sie einen geeigneten Partner für Aufbereitungen aus, der beratend an Ihrer Seite steht.
  • Lagern Sie die aufbereitete Bekleidung lichtgeschützt und trocken.

Die wichtigsten Kriterien: Konfektion, Naht, Zwischenbekleidung

Ein weiteres Kriterium, welches den Pumpeffekt beeinflusst, ist die Konfektion. Trägt ein Mitarbeiter einen zu großen Overall, reagiert die Bekleidung wie ein Blasebalg. Bei einer zu kleinen Bekleidung steigt die Gefahr, dass Partikel aufgrund der Reibung am Körper schneller durch das Gewebe migrieren und die Filterfunktion nicht ihre volle Funktion ausschöpfen kann. Abhängig des Produkts sollte zudem das elektrostatische Verhalten beachtet werden.

Bei der Reinraumbekleidung, egal ob Einweg- oder Mehrwegbekleidung, sollte eine spezielle Nahtverarbeitung angewandt werden. Dies kann beispielsweise die Kappnaht sein. Diese deckt offene Stoffkanten durch ein synthetisches Band ab. So werden Nahtkräuselungen und Ansammlungen von Partikeln an diesen Stellen vermieden. Bei der Reinigung kann das Waschmedium ungestört über die Kappnaht fließen.

In sehr reinen Bereichen werden vom Menschen ausgehende Partikel durch eine weitere Barriere, der Zwischenbekleidung, abgefangen. Die Oberbekleidung allein kann in diesen Bereichen nicht die benötigte Filtrationsleistung aufbringen. Durch das Tragen einer Zwischenbekleidung kann die Partikelabgabe nach einer Studie der ITV-Denkendorf um bis zu weiteren 50 % reduziert werden. Zudem steigert die Zwischenbekleidung den Tragekomfort der Oberbekleidung, besonders beim Einsatz von Overalls. Die Zwischenbekleidung wird bereits ab der Klasse ISO 6 empfohlen.

Die empfohlene Bekleidung in einem ISO-Reinraum

 

Die größten Unterschiede werden durch die Anforderungen von ESD-leitenden Eigenschaften erreicht. Aufgrund dieser Anforderung werden spezielle Karbon-Fasern in die Gewebe eingearbeitet, die die typische Karo-Struktur schaffen.

In den ISO-Klassen 9 und 8 ist das Tragen von Kittel oder Zweiteiler verbreitet, da diese einen hohen Tragekomfort ermöglichen. Ab der ISO-Klasse 7 werden diese durch Overalls ersetzt. Diese Empfehlung ist auf die geschlossene Hüftregion zurück zuführen, die sich oft auf Höhe der Arbeitsfläche befindet. Als Kopfbedeckung ist in den Klassen 9, 8 und 7 die Vlieshaube meist ausreichend. In den sensibleren Klassen sollte jedoch auf eine Halb- oder Vollschutz-Mehrweghaube umgestiegen werden, da diese ein deutlich verbessertes Partikelrückhaltevermögen aufweisen, was in der Grundstruktur und im Material begründet ist. Auch ist dem Partikelrückhaltevermögen geschuldet, dass ab der Klasse 6 Überziehstiefel getragen werden sollten. Diese verdichten den Knöchelbereich und schränken dort den Austritt von Partikeln ein.

Die verwendeten Handschuhe sind abhängig von den Produktionsschritten und dem Fertigungsgrad des Produktes. Dünnfilmhandschuhe aus Nitril, Latex oder Neopren lassen keine Partikel von den Händen austreten, was besonders aufgrund der Produktnähe beachtet werden sollte. Ein Partikelaustritt kann bei textilen Handschuhen niemals ausgeschlossen werden, weswegen in den Reinraumklassen 5 und 4 fast ausschließlich auf Dünnfilmhandschuhe umgestiegen werden sollten. Textile Handschuhe fördern hingegen den Tragekomfort, da die Schweißbildung reduziert wird und die Hand atmen kann. Zu beachten ist jedoch, dass die verwendeten Dünnfilmhandschuhe spezielle Reinraumhandschuhe sein sollten. Simpel erklärt bedeutet das: In jedem Fall puderfrei und einfach oder mehrfach nachgereinigt. Sonst kann von den Handschuhen selbst sehr schnell eine Kontaminationsgefahr ausgehen.

Wann die Bekleidung gewechselt werden sollte, ist abhängig von der Verwendungsdauer und den geltenden Arbeitsanweisungen vor Ort. Zu empfehlen ist jedoch, dass die Zwischenbekleidung immer gemeinsam mit der Oberbekleidung gewechselt wird. Diese Wechselperioden betragen in den ISO-Klassen 9, 8, 7 und 6 etwa eine Woche bis einige Tage. In den Klassen 5, 4 und 3 sollte die Bekleidung täglich gewechselt werden.

Auch die einzusetzenden Schuhe sind entsprechend den Gegebenheiten vor Ort auszuwählen und gegebenenfalls durch zusätzliche Überschuhe oder Überstiefel zu ergänzen. Sollte eine ESD-Fähigkeit gefordert sein, sind Schuhe als entscheidender Faktor an der Entladung maßgeblich beteiligt. Bei einem Einsatz von Überschuhen ist es deswegen zwingend erforderlich, dass diese Überschuhe ähnlich gute Widerstandswerte aufweisen wie der Schuh selbst. Für Schuhe bedeutet das einen Widerstandswert < 35 MOhm nach EN61340-5-1.

Die Bekleidung im Reinraum ist so individuell wie der Reinraum selbst

Es muss grundsätzlich beachtet werden, dass unabhängig des Luft- und Produktschutzes der Schutz des Menschen bewahrt werden muss und als höchste Priorität gelten sollte. Auch sollte stets der Mitarbeiterkomfort berücksichtigt werden. Laut einer Studie aus dem Jahr 2015 lehnen Mitarbeiter das Tragen der Reinraumbekleidung ganz ab oder Tragen die Bekleidung fehlerhaft, wenn der Komfort nicht angemessen ist und sie sich in der Kleidung nicht ausreichend wohl fühlen.

Mitarbeiter lehnen das Tragen von Reinraumbekleidung ganz ab oder Tragen die Bekleidung fehlerhaft wenn der Komfort nicht gegeben ist

Auf eine geeignete Reinraumbekleidung sollte nur verzichtet werden, wenn der Grad an Automatisierung so groß ist, dass keine Menschen mehr im Reinraum benötigt werden. Und vergessen Sie nie: ohne eine gute Schulung nützt auch die beste Bekleidung wenig. Die Mitarbeiter müssen im Umgang mit dem Anlegen der Bekleidung bestens geschult sein.

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